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Hintergrundinfo

Geothermie

Bei der Geothermie wird Erdwärme genutzt, um Gebäude zu heizen und ggf. Strom zu erzeugen. Nachdem der Geologische Dienst NRW in Herbst 2021 in Münster eine aufwändige seismische Messung durchgeführt hat, um das Potential der sogenannten Tiefengeothermie zu ermitteln und diese dem Rat der Stadt Münster im Oktober 2022 vorgestellt hat, ist eine gewisse Euphorie zum Thema ausgebrochen. Wir wollen Stärken, Risiken und Gefahren der Technik beleuchten.

Unterschiedliche Verfahren[1]

Bei allen Geothermie Verfahren wird die Erdwärme genutzt, um Gebäude zu Heizen und ggf. Strom zu erzeugen. Dabei können umso höhere Temperaturen erzielt werden, je tiefer man in die Erde bohrt. Lassen sich bei einer Bohrtiefe von 100 m nur etwa 10-13°C erzielen, so liegen bei 4000 m Bohrtiefe in der Regel Temperaturen von 130°C vor. Als Daumenregel gilt, dass die Temperatur in Deutschland alle 100 m um etwa 3°C ansteigt.[2]

Flache Erdwärmesonden

Weit verbreitet ist die Nutzung der Erwärme über sogenannte Flache Erdwärmesonden, bei der mit Bohrtiefen von ca. 100 m unabhängig von der Umgebungstemperatur eine Sole auf ca. 13°C erwärmt werden kann. Diese geringe Temperatur reicht nicht aus, um damit allein ein Gebäude zu heizen. Mit einer Wärmpumpe muss unter Einsatz von elektrischem Strom die Temperatur weiter erhöht werden. Durchschnittliche Leistungen solcher Erdwärmesysteme mit nur einer Sonde liegen bei etwa 8kW. Die Wärmeübertragung erfolgt vom Erdreich über das Sonden-Rohr auf die Sole. Die erzielbare Temperatur hängt bei diesem System nur indirekt von der Bohrtiefe ab – die Länge der Sonde und die damit bereitgestellte Oberfläche bestimmt die Leistung einer solchen Erdwärmesonde. Den gleichen Effekt kann man daher auch erzielen, wenn man anstatt des tief gebohrten Sonden-Rohrs ein vergleichbar langes Rohr als Bündel bei einer Tiefe von nur 1.5 m im Boden verlegt. Was klar wird: Bei flachen Erdwärmesonden wird der eigentliche Effekt des warmen Erdkernes nicht wirklich genutzt, sondern nur die Tatsache, dass der Boden bereits in geringer Tiefe eine im Vergleich zur Umgebungsluft konstante und im Winter höhere Temperatur aufweist. Bei durch den Klimawandel zu erwartenden eher milden Wintern ist der Effekt jedoch überschaubar und ein wesentlicher Anteil der eigentlichen Heizleistung wird nicht durch die Erdwärme, sondern durch die Wärmepumpe, also durch elektrischen Strom bereitgestellt.

Sollen größere Gebäude versorgt werden, werden eine Vielzahl von Sonden gesetzt, man spricht von einem Erdwärme-Sondenfeld. Es lassen sich dann bei entsprechendem Aufwand Leistungen von 100kW bis 1 MW erzielen. Solche Systeme können auch zum Einsatz kommen, um eine Wärmeversorgung für kleinere Baugebiete bereitzustellen.

Tiefengeothermie

Bei der Tiefengeothermie werden Bohrungen von mindestens 400 m Tiefe vorgenommen, häufig jedoch von mindestens 3000m. Damit lassen sich je nach Bohrriefe Vorlauftemperaturen von 100-140°C erzielen. Dieses Temperaturniveau ist ausreichend, um ein Fernwärmenetz zu speisen, das ohne Einsatz von elektrischer Energie (Wärmepumpe) Wohnungen und Häuser beheizen kann. Da die Wärme 365 Tage im Jahr vorliegt, ermöglicht sie damit eine Wärmversorgung die vollständig unabhängig ist vom Wetter. Ein Einsatz von Wärmepumpen ist ja nur dann Klimaneutral, wenn der Strom aus Wind und Sonne gewonnen wird.

Neben der Vorlauftemperatur besteht der zweite Unterschied im Konzept der Wärmeübertragung. Bei den Erdwärmesonden wird eine Sole über Rohre in die Erde geleitet und zurückgeführt - die Wärme wird vom Erdreich auf das Rohr auf die Sole übertragen. Die Wärmeübertragungsfläche muss also sehr aufwändig bereitgestellt werden. Bei der Tiefengeothermie wird das in der entsprechenden Tiefe heiß vorliegende Grundwasser (Thermalwasser) abgesaugt und and die Oberfläche gepumpt und über einen oberirdisch angeordneten Wärmetauscher geleitet, der das Fernwärmenetz speist. Das abgekühlte Thermalwasser wird wieder auf gleicher Tiefe ins Erdreich eingeleitet. Im Gegensatz zur Erdwärmesonde erfolgt der Wärmeübergang also auf natürliche Weise im Erdreich. Im Vergleich zu Erdwärmesonden lässt sich daher mit einer Tiefengeothermie drei- bis viertausendmal (!) mehr Wärme gewinnen. Die erzielbare Leistung hängt von der Bohrtiefe ab und von der verfügbaren Thermalwassermenge, die dort vorliegt. Ist die Gesteinsschicht wasserführend und porös, so dass große Mengen an Wasser für die geothermische Nutzung abgezogen werden können, spricht man von einem Aquifer. Die größten Geothermieanlagen in Deutschland werden in Bayern in Unter- und Oberhaching betrieben. Sie liegen im sogenannten Molassebecken bei dem die Aquifere besonders günstig zu erschließen sind. Die Anlagen haben eine thermische Leistung von 30 MW- 40 MW und versorgen derzeit jeweils bis zu 6000 Haushalte mit Wärme. [3]

Vorteile und Potential der Tiefengeothermie

Die oben genannten Daten zeigen, dass mit der Tiefengeothermie ganze Gemeinden und Stadtteile mit Heizwärme versorgt werden können. Eine einzelne Bohrung kann mit 40 MW Wärmeleistung etwa 6000 Haushalte mit Wärme versorgen. Für Münster bedeutet dies, dass eine Flächendeckende Versorgung zunächst nicht realistisch erscheint – Es würden bis zu 50 Tiefengeothermie Bohrungen benötigt, um die gesamte Stadt zu versorgen. Nachteilig sind die sehr hohen Erschließungskosten. Die Anlage in Unterhaching hat ein Investitionsvolumen von 80 Mio. Euro. Dabei entfielen 29% auf die Bohrung. Für die Bohrungen in Münster werden aufgrund der hohen Tiefe ebenfalls Kosten in der Höhe von 20 Mio. Euro erwartet.[4]
 

Der riesige Vorteil der Technik: die Wärme liegt zuverlässig und konstant an, es werden nur minimale Mengen an Strom verbraucht, um das Wasser an die Oberfläche zu pumpen. Im Sommer kann die Wärme zu Stromerzeugung genutzt werden und im Gegensatz zu Windkraft und Solarenergie kann der Strom auch nachts, bei Regen und Windstille bereitgestellt werden. Die Betriebskosten der Geothermie sind sehr gering und Wärme und Strom sind klimaneutral.

Risiken der Geothermie

Die Bohrung in eine Tiefe von mehreren Kilometern ist sehr aufwändig und kostet mehrere Millionen Euro. Die Bohrung ist aber nicht zwingend immer erfolgreich – ggf. liegt kein Wasser oder zu wenig Wasser vor oder die Temperatur ist geringer als erwartet. Das Risiko, dass die Bohrung fehlschlägt, sollte sinnvoller Weise durch Land- oder Bund abgedeckt werden und die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbohrung durch intensive seismische Messungen minimiert werden. Das ist genau der Gegenstand des jüngsten Rats-Vorlage, die wir sehr begrüßen.

Neben dem finanziellen Risiko liegt auch ein gewisses seismisches Risiko vor. Durch das Abziehen und vor allem durch das Rückführen des Wassers in das Gestein kann es zu Erschütterungen kommen – praktisch kleine Erdbeben. Durch Steuerung von Druck und moderater Regelung der Volumenströme scheint dies aber kontrollierbar zu sein.

Fazit

Die Tiefengeothermie stellt mit geringstem Strombedarf große Mengen and Wärme klimaneutral zu Verfügung. Eine erfolgreiche Tiefenbohrung liefert stetig und über Jahrzehnte konstant Wärme, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag.

Die Kosten für die Bohrung sind sehr hoch; eine flächendeckende Wärmeversorgung daher derzeit eher unrealistisch. Kosten und Geologisches Potential am Standort Münster sollten untersucht werden.

 

 

 

 

 

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